Schlagwort: Killerspiele

Die Medienkompetenz der Amokläufer

Dieser Beitrag wurde von mir bei Zeit.de veröffentlicht als Antwort auf den Komentar „4. Lobby der Amoklaufförderer von „gw-hh“.

Als ich den Beitrag Nr. 4 gelesen habe quoll mir regelrecht die Ignoranz gegenüber den neuen nicht verstandenen Medien entgegen.
Computerspiele, vor Allem welche wo’s um Gewalt geht gabs in meiner Jugend nicht. Das muss schlecht sein! Verbieten!! Sofort!

Meiner Meinung nach handelt es sich bei der gesamten Killerspielediskussion um ein Scheingefecht. Es gibt nämlich eine Korrelation zwischen den Spielen und den Amokläufen, aber diese ist zeitlich nicht inhaltlich.

Was das heißt will ich gern erklären.
-Computerspiele sind, dass wurde richtig bemerkt, ein Phänomen der letzten beiden Jahrzehnte. Personen die unter 30 sind, sind damit mehrheitlich aufgewachsen. Personen die unter 20J sind und nicht Computer gespielt haben sind absolute Minderheiten.
-Amokläufe an Schulen sind
, und hier haben wir die Korrelation, ein Phänomen der letzten beiden Jahrzehnte.
Littleton 1999 war die erste Tat dieser Art, und vor allem die erste die so ein großes Medienfeedback in Deutschland erhalten hat.

Für die Personen, welche in die Sündenbocksuche verwickelt sind (und überwiegend dieser Generation nicht angehören), bietet sich dieser Zusammenhang nun wunderbar an um das Medium Computerspiele (was sie aus ihrer Jugend nicht kannten) als den Grund für Taten zu sehen, die es in ihrer Jugend nicht gab.
Übersehen wird dabei, dass die Jugendlichen von heute noch etwas von denen vor 20 Jahren unterscheidet.

Medienkompetenz
Medienkompetenz, so wie ich sie verstehe, ist die Fähigkeit
1) Inhalte von Medien auf ihre Relevanz für die eigene Situation zu bewerten und
2) das passende Medium für den gewünschten Zweck zu nutzen.

Was 1) bedeutet kann man sich denken. 2) bedeutet, dass wenn ich Nachrichten will ich weiß welches Medium mir diese liefert, und wenn ich Unterhaltung will, ebenfalls das passende Medium bekannt ist.

Amokläufer beweisen reproduzierbar ihre Medienkompetenz. Sie wissen genau, dass sie die Aufmerksamkeit die sie wollen, nur durch eine öffentliche Tat diesen Ausmaßes erreichen läßt.

Ich behaupte: Nicht Computerspiele machen Amokläufer, sondern die Berichterstattung über Amokläufe. Denn sie bestätigen immer wieder aufs neue, welche Aufmerksamkeit einem Täter zu kommt, wenn er sich ebenso verhält.

Unsere Lebensart des aktiven Gestaltens von Medien macht den Unterschied zu Früher. Heutige Jugendliche nutzen Medien nicht nur passiv(konsumierent) sondern sie nutzen sie aktiv(gestaltent).

Was ich abschließend nicht verschleiern möchte: Es kann durchaus auch eine Gefährdung von „Killerspielen“ ausgehen. Doch dies hat nichts mit „Point&Click“ zu tun, sondern mit Technologien, welche aus dem Filmgeschäft (Visual FX) stammen und in Zukunft in Spielen eingebaut werden. Darüber habe ich in meinem Block einen Artikel verfasst.

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[Upd] Killerspiele – Wieso beide Seiten falsch liegen

Bei der bisherigen Diskussion zum Thema „Killerspiele“ (furchtbar, diese BILDphrasen zu dreschen) rennen beide Seite an den Realität vorbei. Einerseits die Gruppe der „Verbieter“ die all das was sie nicht kennen und nicht nach biederem Blümchensex aussieht sofort als gesellschaftliche Gefahr ächten wollen, andererseits die Gruppe der Gamer die eine Gefährdung schon prinzipiell ausschließen. Allerdings ist beides zu kurz gedacht.

Die Spiele die bisher gespielt wurden sind, meiner Meinung nach, absolut ungefährlich und der „Ausbildung von Killern“ wird dadurch nicht Vorschub geleistet*. Im Grunde genommen sind Sie auf dem emotionalen Niveau von Versteckspielen (Angstshooter wie Doom) oder Fanger (Counter Strike, Quake). Das „Abschießen“ im Spiel ist qualitativ durchweg vergleichbar mit dem „Abschlagen“ beim Fangen oder Versteckspiel (vor allem wenn man die deutschen Versionen von Shootern zum vergleich nimmt).

Jeder der bei diesen Spielen eine ernsthafte Gefährdung unterstellt macht sich selbst unglaubwürdig.

Aber eine andere Entwicklung in der Spieleindustrie sollte uns Angst machen. Der zunehmende Realitätsgrad der Darstellung ist solange unproblematisch, solange die realistische Darstellung sich allein auf die visuelle Komponente bezieht.

Allerdings arbeiten diverse Softwareschmieden daran, das Verhalten von Computergegnern dem echter Menschen anzupassen. Und zwar ist hier nicht die Spieltaktik gemeint, sondern die Reaktion auf Schmerz, Verwundung und die Angst um das eigene Leben.  Ein Beispiel (eine KI gesteuerte „Ragdoll“), welches zu Ende gedacht diese Richtung nimmt:

Diese Komponenten zielen auf ein Basisemotion des Menschen ab: Mitleid.

Wenn ein Spiel nur dadurch gewonnen werden kann, indem man sein eigenes Mitleid überwindet, dann stellt dies eine ernsthafte Bedrohung für die gesamte Gesellschaft dar. Dieses Training beschränkt sich dann nämlich nicht mehr auf das Reaktionsvermögen sondern zielt auf eine emotionale Konditionierung ab.

Darin sehe ich die größte Gefahr. Nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für unser Hobby >>Computer Spiele<<. Denn hier würde eine härtere Vorgehensweise gegen die Hersteller und Verbreiter solcher Spiele gesellschaftlich absolut (überlebens-)notwendig werden. Mit den üblichen Kolleteralschäden, die wir von unserer politischen Klasse mittlerweile ja gewohnt sind. Das kann keiner von uns ernsthaft wollen.

*) Keine Gefahr bezieht sich hier auf Personen, welche im realen Leben anerkannt sind und in gefestigten soziale Strukturen leben. Eine Person, welche im echten Leben auf keinerlei Unterstützung, Hilfe und Anerkennung stößt, wird den dadurch erzeugten Frust irgendwann wieder abgeben. Und zwar auf dem erstbesten Weg. Falls das Ausüben von Gewalt dann als Lösungsweg erscheint, ist der Weg zur Straftat – bis hin zum Amoklauf – möglich. Gewaltspiele machen keine Amokläufer, aber sie graben den Kanal durch den sich die angestaute Wut ihre Bahn brechen kann.

Anstatt Gewaltspiele zu verbieten, sollte man lieber die Ursache für die aufgestaute Wut beseitigen. Personen die ganztägig einem Mobbing und/oder einer Nicht-Beachtung unterliegen, muss geholfen werden. Bei Kindern sind hier vor allem die Personen gefragt, welche a)verantwortlich für die Kinder und b) in diesem Zeitraum bei den Kindern sind. Also Lehrer/Erzieher/Trainer und Eltern. Wenn diese Personen einem Aussenseiter keine Aufmerksamkeit zukommen lassen oder – schlimmer noch – diese selbst mobben, kann dies die oben genannten folgen haben. Leider wird dies weder in den heute üblichen Betreuungsstrukturen abgebildet, noch haben die Verantwortlichen wirklich verstanden, dass sie es sind, von denen es abhängt, ob ein Mensch zum Gewalttäter wird oder nicht. Dabei ist anzumerken, dass vor Allem in jungen Jahren bereits dafür Sorge getragen werden muss, dass ein Kind nicht in eine „Versagerschiene“ rutscht. Es sind zwar 16-26 Jährige welche die Taten verüben, aber die Geschichte reicht meist deutlich weiter zurück.

Was außer Frage steht: Wer Freunde im echten Leben hat, und dort Erfolge feiern kann, aus dem macht kein nochso realistisches Spiel (der heutigen Prägung) einen Gewalttäter. Und Counterstrike ganz bestimmt nicht!